Christina von Weyhe (Deutschland)
Hinweis: In Deutschland ist die Lehrerausbildung „zweiphasig” angelegt: Nach einer überwiegend fachlich ausgerichteten, kaum Praktika beinhaltenden ersten Phase an der Universität folgt als zweite Phase das „Referendariat”. Während dieser Zeit werden praxisbezogene Seminare besucht, es sind auch noch Prüfungen abzulegen und es soll - mit Unterstützung von „Mentoren” - das Hineinwachsen in den Beruf ermöglicht werden.
Zu Beginn des Referendariats fühlte ich mich noch ziemlich unsicher. Die ersten drei Monate hatten wir hier nur betreuten Unterricht (8 Stunden pro Woche), das heißt, ich bin mit Kollegen meiner Schule in den Unterricht gegangen, habe zugesehen und bin hier und da zur Hand gegangen. Nach zwei Wochen reinem Hospitieren durfte ich dann immer mehr und immer öfter selbst tätig werden. Ich habe Einzelstunden vorbereitet, mich mit den jeweiligen Fachlehrern (pro Fach gibt es eine Lehrkraft, die mir unterstützend beiseite steht) zusammengesetzt und abgesprochen und sie schließlich ausprobiert. Das klappte echt gut. Es ist so ein herrliches Gefühl, wenn die Schüler von Anfang an positiv reagieren, bemüht sind, meinen Aufträgen nachzukommen und mich als volle Lehrkraft akzeptieren. Natürlich verliefen nicht alle Stunden reibungslos. Es gab so manche Stunde, in der ich ins Trudeln kam, weil ich mich in der Zeit vertan hatte, weil ich mittendrin feststellen musste, dass ich etwas vergessen hatte anzukündigen oder mir einfach die Worte nicht genügend zurechtgelegt hatte, so dass meine Erklärungsversuche ein wenig kläglich erschienen, aber im Großen und Ganzen war die Zeit bis Weihnachten echt super. Eigentlich bin ich jeden Morgen frohen Mutes in die Schule gegangen, und spätestens beim Zusammentreffen mit einem meiner Schüler, der mir einen guten Morgen wünschte, war die gute Laune da.
Zu Beginn des neuen Jahres dann hatte ich die Phase erreicht, dass mir das Zusehen und Betreut werden nicht mehr reichte. Ich wollte endlich selbst verantwortlich sein für das, was ich tat. Natürlich trug ich schon Verantwortung für jede meiner Stunden, aber im Hinterkopf wusste ich ja immer noch, dass notfalls der Fachlehrer meine Schnitzer in seiner nächsten Stunde wieder ausbügeln konnte. Das wollte ich nun nicht mehr. Meine im Studium gesetzten Ziele bezüglich meines Unterrichtens wollte ich nun endlich beginnen zu realisieren. Da passte es sehr gut, dass mit dem neuen Halbjahr auch mein eigenverantwortlicher Unterricht begann. Nun darf ich 10 Stunden völlig eigenverantwortlich geben. Daneben werde ich 4 Stunden betreut, das heißt, eine Lehrkraft sitzt hinten im Raum und sieht zu, wie ich meinen Unterricht führe, gibt mir Tipps und Hinweise, was gut war bzw. was vorteilhafter wäre.
Meine Motivation ist ins Unermessliche gestiegen. Jeden Tag komme ich von der Schule ganz beschwingt nach Hause und sitze oft bis in die späten Abendstunden, um meine Stunden vorzubereiten. Ich hätte selbst nicht gedacht, dass ich mit so viel Eifer dabei sein würde, doch ist das positive Feedback meiner Schüler und der Erfolg, den ich in meinen Stunden zu sehen meine, ausreichend genug, mich enorm anzutreiben. Aber natürlich gibt es neben der Unterrichtsvorbereitung auch immer noch ein Privatleben, keine Sorge! Sport treiben, Freunde treffen, ausgehen ... gehören einfach dazu.
Als total angenehm habe ich die Betreuung durch meinen Mathe-Fachlehrer empfunden. Zu ihm kann ich mit jedem Anliegen kommen, er scheint mir fast von den Augen ablesen zu können, wo der Schuh drückt. Außerdem ist es herrlich, noch 26 andere Neulinge um mich zu haben. Ziemlich schnell hat sich hier eine Gemeinschaft gebildet, in der ich mich sehr wohl fühle. Meine Kollegen an der Schule sind zwar nicht alle voller Engagement, doch weiß ich auch dort mehrere Adressen, an die ich mich wenden kann. Was mir jedoch am allerwichtigsten erscheint, das ist das gute Gefühl, vor der Klasse zu stehen, mit den Kindern zu reden, ihnen Dinge zu vermitteln und feststellen zu dürfen, wie gut sie auf mich reagieren. Dieses gute Gefühl hat sich vor allem mit dem eigenverantwortlichen Unterricht aufgetan. Beschwingt gehe ich in die Klasse, fühle mich sicher (auch wenn ein Lehrer oder ein Seminarleiter hinten sitzt) und gebe meinen Unterricht, als hätte ich das schon seit eh und je getan.
Ach, die erste Zeit war schon sehr chaotisch: Wir Neulinge haben irgendwie immer nur von Besuchen, Prüfung, Noten etc. gesprochen. Wir wussten ja gar nichts, hatten nur von „alten” Referendaren und deren Erfahrungen gehört und ruderten orientierungslos herum. Einige von uns hatten dazu Pech an ihrer Schule: Es gab keinen festen Stundenplan, in jeder Pause musste wieder nahezu darum gebettelt werden, hospitieren zu dürfen. Da die Grundschulen hier in Cuxhaven bereits ausgeschöpft sind, wurden einige von uns an Haupt- und Realschulen geschickt. Das gab z.T. doch große Unzufriedenheit, die sich bei den meisten jedoch meines Wissens bald legte. Meine eigenen Fragen: Ich war so unsicher, wann ich anfangen sollte zu unterrichten. Bei mir an der Schule ist eine „alte” Anwärterin, die bereits sehr früh komplett ihre betreuten Stunden selbst gegeben hat. Mit ihr verglich ich mich leider immer wieder und wusste irgendwie gar nicht so recht, ob ich dasselbe tun sollte. Meine Lehrer ließen mir freie Hand, auf Anfragen kam immer die gleiche Reaktion: „Du kannst unterrichten, wann immer du willst. Sag einfach Bescheid.” Nett gemeint war das schon, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dem Ganzen noch nicht so recht gewachsen zu sein. WIE bereite ich denn bloß den Unterricht vor? WAS kann ich denn alles in einer Stunde durchnehmen, ohne die Schüler zu über- oder unterfordern? Irgendwie glaubte ich, gleich auf Anhieb alles perfekt machen zu müssen, weil doch hinten immer noch jemand saß, um mir zuzusehen. Aber mit jeder eigenen Stunde und auch mit jedem kleinen Patzer stieg meine Sicherheit. Eigentlich sind gerade die Fehler das Tollste, auch wenn´s komisch klingt: Vorher dachte ich immer, mir kämen nicht genügend Ideen, den Unterricht interessant und abwechslungsreich zu gestalten, doch immer, wenn ich mal wieder eine unruhige Phase in einer Stunde hatte oder die Schüler mich nur mit einem großen Fragezeichen im Gesicht ansahen, kamen mir Einfälle, wie ich es beim nächsten Mal anders machen könnte. Das ist ein tolles Gefühl!
Ich würde mich heute weniger unter Druck setzen, die ersten drei Monate als Chance nutzen, so viel wie möglich bei anderen Kollegen zuzusehen, um Ideen und Eindrücke zu sammeln. Statt mehr als 8 Stunden in der Schule zu sein (oftmals war ich den ganzen Vormittag lang dort), um mein Engagement zu demonstrieren, würde ich, glaub ich, wirklich nur diese Zeit dorthin gehen, dafür aber mehr Zeit in die Vorbereitung investieren. Das gibt einfach Auftrieb! Und eins, das mir besonders wichtig ist: nicht so stark Vergleiche mit anderen ziehen! Ich unterrichte ja doch auf meine mir eigene Art - so, wie die anderen wird das nie sein (weder im positiven, noch im negativen Sinne).